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Bulimie – Doppelleben zwischen Sehnsucht und Hunger

Bulimie (Bulimie nervosa; Ess-Brech-Sucht) ist eine Essstörung, für die Essattacken mit hastigem Verschlingen von großen Mengen kalorienreicher Nahrung und anschließendem Erbrechen charakteristisch sind. Die Betroffenen verheimlichen meist diesen exzessiven Essanfall wie auch das Erbrechen danach – Verstecken ist ein wichtiges Stichwort im Zusammenhang mit Bulimie.

Angehörige bemerken die Essstörung oft zu spät, denn anders als bei der Magersucht, bei der das starke Untergewicht sichtbar ist, haben Menschen mit Bulimie im Großen und Ganzen Normalgewicht, teils sogar auch Übergewicht und nur manchmal Untergewicht.

Bulimie – die wohltrainierte Fassade unter den Essstörungen

Die Gruppe der Essstörungen lässt sich in Magersucht (Anorexia nervosa), Esssucht (Binge Eating oder auch Emotionales Essen), Übergewicht (Adipositas) oder Ess-Brech-Sucht (Bulimie oder Bulimia nervosa) einteilen. Die Grenzen sind fließend und die einzelnen Krankheitsphasen können ineinander übergehen.

Die psychische Grundproblematik zeigt sich in einem geringen bis kaum vorhandenen Selbstwertgefühl, innerer Unsicherheit, einer gestörten Selbstwahrnehmung und einer übersteigerten Anpassung an die Wünsche und Vorstellungen der Menschen im sozialen Umfeld. In den meisten Fällen geht der Essstörung genau diese Selbstwertproblematik voraus, und verschlechtert sich im Verlauf der Erkrankung.

Ein Großteil der Menschen mit Essstörungen legen viel Wert auf ihre Figur. Kleinste Veränderungen und Gewichtsschwankungen beeinflussen und verstärken die Minderwertigkeitsgefühle.

Bulimiker/innen sind nach außen hin durchaus erfolgreiche und „taffe“ Menschen. Ich habe sie als sehr perfektionistisch und mit einer sehr hohen emotionalen Intelligenz ausgestattet kennen gelernt. Sie treiben oft übertrieben Sport, trainieren gewissenhaft und wissen um gesunde Ernährung. Das gibt ihnen das Gefühl von: „alles“ im Griff haben zu können. Die zeitintensive Beschäftigung mit der Ernährung (z.B. Auswahl von ausgeklügelten Rezepten) und mit ihrem Aussehen sind Ausdruck eines großen Bedürfnisses nach Harmonie, verbunden mit unausgesprochener Konfliktscheu und – nicht selten – emotionalen Spannungen im Beruf, in der Familie oder im Freundeskreis.

Eine Heißhungerattacke macht noch keine Bulimie

Wenn Ihre Tochter heute in einer Heißhungerattacke im Kühlschrank verschwindet und nach Süßem und Kalorienreichem kramt, heißt das nicht automatisch, dass sie in eine Bulimie rutscht oder ein krankhaftes Essverhalten entwickelt. Jeder Mensch kennt solche Heißhungerattacken. Physiologisch sind sie u.a. die Reaktion auf einen niedrigen Blutzuckerspiegel – und den haben bisweilen auch Gesunde.

Wie aber ist zu erkennen, ab wann es mit den Essanfällen ernst wird?

Anders als bei der Magersucht fehlt nämlich trotz ähnlicher Verhaltensweisen wie zum Beispiel die übertriebene Beschäftigung mit Figur, Körpergewicht und Nahrung, und ähnlichem Hintergrund (geringes Selbstwertgefühl) ein wesentliches Merkmal: die sichtbare Gewichtsabnahme.

Wer ist denn nun gefährdet? Wen erwischt die Sucht?

Gefährdet sind vor allem junge Frauen. Die Wahrscheinlichkeit, eine Bulimie zu entwickeln, liegt im Verhältnis Mädchen zu Jungen bei 95% zu 5%. Jungen sind im Vergleich verschwindend gering betroffen. Eine Ersterkrankung an Bulimie tritt durchschnittlich zwischen dem 15. und 19. Lebensjahr auf, ca. die Hälfte der Betroffenen durchliefen zuvor Phasen der Magersucht oder der Binge-Eating-Disorder (ebenfalls eine Essstörung mit Heißhungerattacken).

Menschen, d.h. besonders Frauen, in Berufsgruppen, die sehr diszipliniert auf ihr Körpergewicht achten müssen und bei denen der Leistungsdruck sehr hoch ist, wie beispielsweise Modells, Turnerinnen oder Tänzerinnen, haben ein erhöhtes Risiko, an Bulimie zu erkranken.

Manifest ist die Bulimie bei ungefähr 1-3% aller jungen Frauen in der Pubertät und im jungem Erwachsenenalter. Die Dunkelziffer ist hoch, da Bulimiker/innen ihre Essstörung lange verheimlichen können.

Wann sprechen wir von Bulimie (Bulimia nervosa)?

Wenn es nicht eine einzelne Heißhunger- und Essattacke ist, die für Bulimie spricht – wie dann gibt sich die Krankheit zu erkennen? – In der Aufstellung der Kriterien für die Bulimia nervosa (nach ICD-10 der WHO) finden Sie die häufigsten Verhaltensveränderungen im Umgang mit Ernährung und Körper:

  • andauernde Beschäftigung mit Essen, unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln
  • seit mindestens 3 Monaten und im Durchschnitt 2 Mal pro Woche:
    wiederholte Essattacken bzw. Heißhungerattacken, bei denen in kurzer Zeit sehr große Mengen Nahrung aufgenommen wird
  • Versuch, dem zunehmenden Effekt der Lebensmittel (= Gewichtszunahme, m. Ergänzung) durch verschiedene ausgleichende Verhaltensweisen entgegenzuwirken:
  • selbst herbeigeführtes Erbrechen
  • Missbrauch von Abführmittel, Schilddrüsenpräparaten oder Diurektika
  • Gebrauch von Appetitzüglern
  • zeitweilige Hungerperioden oder strenge Diäten
  • übermäßige sportliche Aktivität
  • bei Diabetiker/innen: möglicherweise Vernachlässigung die Insulinbehandlung
  • Körperschemastörung; krankhafte Furcht, dick zu werden sowie eine scharf gesetzte Gewichtsgrenze, die deutlich unter dem prämorbiden (vor dem Ausbruch einer Krankheit auftretend), medizinisch als gesundes Körpergewicht betrachtet wird

In der Vorgeschichte von diagnostizierten Bulimiker/innen lassen sich oft Episoden einer Anorexia nervosa (Magersucht) finden, diese können einige Monate bis zu mehreren Jahren zurückliegen. Diese Episoden können sowohl voll ausgeprägt sein als auch eine versteckte Form mit mäßigem Gewichtsverlust und einer vorübergehenden Amenorrhoe (Ausbleiben der Monatsblutung) aufweisen.

Eine gesellschaftlich erlaubte Droge

Wir finden also mehr junge Frauen als junge Männer, mehr harmoniebedürftige Menschen als konfliktorientierte, mehr Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen als jene mit Selbstbewusstsein, mehr von Aussehen und Erfolg geprägte Perfektionisten als weniger Ehrgeizige unter Bulimiker/innen?

Ein weiterer Faktor kommt hinzu: der paradoxe Wunsch nach Unauffälligkeit.

Essen ist die Droge der Braven. Sie bedeutet besonders für sehr angepasste Menschen eine unauffällige Alternative. Die Ess-Brech-Sucht ist weit weniger auffällig als eine Drogensucht. Es vergehen oft mehrere Monate bis Jahre, bis die Essstörung erkannt und behandelt wird. Je kürzer allerdings der Zeitraum vom Krankheitsbeginn bis zum Beginn einer Psychotherapie ist, desto besser ist die Prognose.

Bulimiker/innen durchlaufen charakteristische Phasen:

  1. Planung: die Betroffenen „planen“ ihre Essorgien. Die Heißhungerattacken sind weniger spontan, als sie aussehen. Die Tatsache, dass das Verschlingen verheimlicht werden muss, macht es nötig, den Anfall anbahnende Empfindungen wie Gefühle von Isolation, innerer Spannungen und/oder innerer Leere, Unruhe, manchmal Langeweile, auf einen geeigneten Zeitpunkt (Abwesenheit von Mitbewohnern, zu erledigender Einkauf) aufzuschieben.
  2. Kontrollverlust: Aufgestaute Frustration, Angst oder Wut entladen sich während des Essanfalls in einem absoluten Kontrollverlust über die Nahrungsmenge und über sich selbst. Dieser Kontrollverlust der Bulimiker/innen ist mit dem Kontrollverlust eines Drogensüchtigen, Alkoholabhängigen oder Magersüchtigen vergleichbar.
  3. Wiedereinsetzen des Bewusstseins: Nach dem Essanfall steigen Scham-, Schuld-, und Versagensgefühle, das Empfinden von Wertlosigkeit, und massive Selbstkritik, sich nicht beherrscht zu haben, hoch – und werden erbrochen.
  4. Verfestigung: Im Laufe der Zeit geschieht dies alles nahezu reflexhaft: Leere – Stopfen – schlechtes Gewissen – Erbrechen. Übrigens erschöpft sich das „Loswerden“ nicht nur im Erbrechen. Bulimiker/innen greifen auch zu Abführmitteln und Einläufen.

Die Auftretenshäufigkeit und die Abstände der Ess-Brech-Attacken sind unterschiedlich. Die eine Betroffene isst übermäßig und erbricht mehrmals täglich, hat dann aber wieder Phasen, in denen sie mehrere Wochen ein „normales“ Essverhalten zeigt. Eine andere wird wöchentlich heimgesucht und kehrt nie zu wirklich halbwegs normalem Essverhalten zurück. Die nächste zeigt ein noch anderes Muster.

Die Auslöser für den Heißhunger sind jedes mal emotionaler Art, wie bei jeder Sucht: Stress, psychischer Druck, Prüfungsdruck, ungeklärte Konflikte, Orientierungslosigkeit, innere Unzufriedenheit, Einsamkeitsgefühle oder Verlustängste bzw. die Angst, verlassen zu werden.

Gesund ist das nicht

Anders als bei Magersucht sind die Folgen bei Bulimie weniger die Unterernährung und Mangelerscheinungen, als die vielfältigen durch das häufige Erbrechen entstandenen Schäden.
Langfristig werden diese Veränderungen sichtbar und beeinträchtigen ein normales Leben erheblich.

  • Verlust an Mineralien und Flüssigkeit (damit einhergehend Herzrhythmusstörungen, was im Extremfall lebensbedrohlich werden kann)
  • Muskelkrämpfe, Muskelschwäche
  • Konzentrationsstörung, Müdigkeit, Lustlosigkeit
  • Verdauungsstörungen: Erschlaffung des Mageneingangs mit Sodbrennen, Verlangsamung der Magenentleerung und Verdauung, Reizmagen, Reizdarm, Verstopfung
  • Kreislaufstörungen, Schwindelgefühle
  • Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis)
  • Verlust der Magensäure, die beim Erbrechen in der Speiseröhre und im Rachenraum Schäden an der Schleimhaut (Verätzungen, Entzündungen), an den Zähnen (Karies) und Schwellung der Ohrspeicheldrüsen verursachen kann
  • Nierenschädigungen, Wassereinlagerungen
  • Beim selbstinduzierten Erbrechen kommt es zu Hautreizungen der Finger (meist Zeige- und Mittelfinger), die zum Erbrechen zu Hilfe genommen werden

Schritte aus der Bulimie

Der Weg aus der Bulimie ist nicht unmöglich, aber auch nicht leicht. Das hat die Bulimie mit allen Suchtkrankheiten gemeinsam. Bringen Bulimiker/innen bzw. ihre Angehörigen den Mut auf, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, ist einer der wichtigsten Schritte geschafft. Meistens ist dann der Weg frei, sich professionelle Hilfe zu suchen. – Bulimie ist gewissermaßen eine „Familienkrankheit“: Familienmitglieder und Lebenspartner in die Therapie miteinzubeziehen, hat sich als positiv erwiesen; es stärkt und stabilisiert im Gesundungsprozess. Für die Angehörigen wiederum ist die Einbeziehung eine Entlastung im Umgang mit der Bulimie.

Wichtige Elemante in der Therapie von Bulimie sind für Betroffenen sowie Angehörigen:

  • Verleugnungsstrategien aufzugeben und sich selbst ihr Kranksein einzugestehen (schwierigster Schritt auf dem Weg zur Gesundung!)
  • medizinische und psychotherapeutische Hilfe zu akzeptieren
  • Beratungsstellen aufzusuchen
  • Essverhalten zu ändern, z.B. Kochkurse zu besuchen
  • Konfliktbewältigungsstrategien zu erlernen, d.h. lernen „richtig“ zu streiten
  • Entspannungstechniken zum Stressabbau, wie die progressive Muskelentspannung oder die Arbeit mit dem inneren Kind, zu erlernen
  • eigene Achtsamkeit zu erhöhen, die Wahrnehmung der Körpersignale zu schulen

Wenn Sie zu mir in die Psychotherapie kommen, werden wir zusätzlich Konfliktbewältigungsstrategien und wichtige Hilfsmittel für den Alltag erarbeiten sowie trainieren.

Sie lernen den Umgang mit unliebsamen Gefühlen, und wie Sie Ihr Selbstwertgefühl finden und stärken. Nicht zuletzt machen die Entspannungstechniken, die ich Ihnen zeigen werde, Sie ganz bestimmt stressresistenter.
Suchen Sie Rat oder haben Sie Fragen? – Nehmen Sie einfach mit mir Kontakt auf. Ich freue mich auf Sie.

Herzlichst, Ihre Ulrike Fuchs
Paarberaterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie

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Foto: Christian Kasper Fotograf München
Lektorat: Dr. Karin Afshar Frankfurt/Main
Grafik: Ulrike Fuchs München

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3 Gedanken zu „Bulimie – Doppelleben zwischen Sehnsucht und Hunger“

  1. Hallo ich habe seit meinem 26 Lebensjahr eine Esstörung erst war es eine Anorexie dann ging es nach einer 1 jährigen Therapie in eine Bulemie über und lebe nun seit 13 Jahren damit ich wäre der glücklichste Mensch wenn ich diese Krankheit wieder los wäre, ich habe es bis heute noch nicht geschafft und kämpfe jeden Tag mit dieser erbärmlichen Krankheit

    Antworten
    • Hallo Iris,
      danke für den Mut, offen über die Essstörung zu sprechen.
      Wenn man eine Esstörung vergleichen wollte, dann wohl am ehesten, mit einer Sucht. Ähnlich wie ein Alkoholiker immer Alkoholiker bleiben wird – wenn auch trocken; muss man bei einer Essstörung den Umgang mit der Erkrankung lernen. Es wird immer Höhen und Tiefen geben, das ist normal. Diesen Weg aber alleine zu bestreiten, ist oft weit langwieriger und schwieriger, als mit therapeutischer Unterstützung.
      Herzliche Grüße, Ulrike Fuchs

    • Ich würde gerne den therapeutischen weg gehen egal wie lang, weit und schwer.Aber leider gibt es auf dem Lande nicht viele Möglichkeiten dazu eine guteTherapeutin zu finden aber vielen danke fürs Feedback LG Iris