Auf den „blöden“ Mann zu schimpfen oder von der Frau genervt zu sein: Das kommt in den besten Beziehungen mal vor. Beide machen sich gegenseitig Vorwürfe über Rücksichtslosigkeit, Egoismus und zu wenig Interesse, nach dem Motto: „Wenn der andere sich doch nur endlich verändern würde, wäre das Problem gelöst“. Doch diese Dauernörgelei bewirkt genau das Gegenteil – unser Gegenüber reagiert gereizt, der Streit kann sehr verletzend werden und das kann zu einer Beziehungskrise führen.
Dabei vergessen wir oft, dass wir zum Gelingen unserer Beziehung auch einen erheblichen Teil selbst beitragen können. Indem wir uns das bewusst machen, können wir destruktiven Streit vermeiden und als Paar wieder zueinander finden.
1. Voreilige Schlüsse
Wenn der Partner oder die Partnerin mangelnde Ordnung oder Hilfsbereitschaft zeigt, rattern solche Gedanken wie: „Das macht er doch mit Absicht“ oder „Das müsste sie eigentlich wissen“. Aus diesen Annahmen ziehen viele Menschen voreilige Schlüsse, beispielsweise, dass der Partner oder die Partnerin sie aus Böswilligkeit ignoriert oder mit Liebesentzug gar strafen wolle.
Wie häufig warten wir ab, um den wahren Grund für ein scheinbar unachtsames Verhalten zu erfahren? Oder wie oft erfragen wir den wahren Grund? „Schatz, ich sehe, dass du gerade abwesend bist. Ich fühle mich etwas vernachlässigt. Meinst du es so, wie ich es empfinde? Möchtest du mich zurückweisen oder bist du in Gedanken einfach nur abwesend, weil dich etwas anderes beschäftigt?“
Das Etikett „unsensibel“ oder „ignorant“ ist allzu leicht verfügbar. Deshalb sollten wir voreilige Schlüsse und heimliche Urteile vermeiden, bis wir die realen Tatsachen geprüft haben.
2. Wenn Scheuklappen in eine Beziehungskrise führen
Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen zu können, das hat wohl jeder Mensch schon erlebt. Es ist der Tunnelblick, der uns täglich dabei hilft, die Millionen Eindrücke, die auf uns einprasseln, zu ordnen und zu verarbeiten. Wir müssen in Sekundenschnelle erkennen können, ob eine bestimmte Information interessant und wichtig für uns ist. Das erspart uns Zeit. Dinge zu erkennen, die den eigenen, eingefahrenen Mustern widersprechen, fällt uns dagegen schwer. So entsteht Streit immer dann, wenn es eigentlich Zeit ist, dass zwei Dickköpfe ihren Horizont erweitern sollten. Dabei ist keine Meinung richtig oder falsch – sie ist lediglich „anders“.
Wenn wir bewusst unseren Blick weiten und erkennen, dass verschiedene Meinungen vielleicht eine neue Sicht oder eine andere Lösung herbeiführen, die das Miteinander erleichtern; werden wir verstehen, dass unser Gegenüber ebenfalls tolle Ideen hat. So lernen wir voneinander und bereichern uns gegenseitig.
3. Aus einem Elefanten eine Mücke machen
In wie vielen Beziehungen werden Probleme totgeschwiegen? Dahinter steht der Wunsch nach einer harmonischen und beglückenden Partnerschaft. Es kann aber durchaus gut und richtig sein, einmal auszusprechen, was einem im Grunde durch den Kopf geht oder fehlt. Nur so kann sich ein Paar auf die Suche nach einer gemeinsamen Lösung begeben.
Wer die Dinge kleiner macht, als sie sich für ihn anfühlen, macht sich oft selbst kleiner als er ist. Er beginnt, an seiner eigenen Wirksamkeit zu zweifeln – und das verringert das Selbstwertgefühl. In einer Beziehung sollte immer ein gegenseitiger Austausch auf Augenhöhe herrschen. Dazu gehört auch, empfundene Probleme nicht stillschweigend hinzunehmen, sondern wertschätzend anzusprechen und gemeinsam nach guten Resultaten zu suchen.
4. Andere beschuldigen
Wir wünschen uns eine Partnerschaft, die mit gegenseitigem Respekt und Verständnis erfüllt ist und in der wir uns ernst genommen fühlen. Wir ärgern uns, wenn uns andere beschuldigen und mit Vorwürfen bombardieren.
Dabei tragen viele Menschen das Bild von „richtig“ und „falsch“ in sich. Wie soll es auch anders sein? Bereits in der Schule haben wir gelernt, dass es „richtig“ und „falsch“ geben muss und dass wir daran gemessen und benotet werden. Wer aber mit „richtig“ und „falsch“ in eine Beziehung geht, trägt die innere Haltung: „Ich bin richtig und du bist falsch“ oder „Ich bin falsch und du bist richtig“. So passiert es schnell, dass wir den vermeintlich „Falschen“ beschuldigen und ihm Vorwürfe machen. Schuldzuweisungen und Vorwürfe sind aber Gift für jede Beziehung und die Fronten verhärten sich. Die Beziehungskrise ist vorprogrammiert.
Hinter jedem Vorwurf, den wir einem anderen machen, steckt im Kern ein eigener Wunsch oder ein eigenes Bedürfnis. Wenn es uns gelingt, dieses herauszufinden und auszudrücken, kommen wir weg von der Schuldfrage und hin zu: „Ich bin o.k. und du bist o.k.“
5. Verallgemeinern
Immer, nie, ständig, niemals … Das sind Signalwörter, die uns sagen: „Vorsicht, hier kommt eine Verallgemeinerung!“
Verallgemeinerungen geben uns das Gefühl, dass der beklagte Missstand scheinbar nicht zu ändern sei. Das bringt uns zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht. Wir verlieren den Mut und die Zuversicht. Als Folge werden wir wütend, weil „sich nichts verändert“. Der Volksmund sagt, dass Menschen „blind vor Wut“ sind. Das ist ein sehr anschauliches Sprachbild, denn in der Wut werden wir blind für Fakten, die uns zur Wahrheit bringen können. Wir kreieren unsere „eigene Wahrheit“ und fühlen uns scheinbar im Recht. Um aber offen füreinander und unsere Beziehung zu sein, brauchen wir die Sichtweise unseres Gegenübers. Wahrheit ist nicht, was wir selbst als Wahrheit betrachten. Das, was wir sehen, ist lediglich unsere eigene Betrachtungsweise.
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6. Hellsehen
Oft meinen wir, in unserer Beziehung über die Superkraft des Hellsehens zu verfügen und scheinbar genau zu wissen, was der andere denkt und fühlt. Erschüttert reagieren wir deshalb, wenn der andere nicht über diese Gabe verfügt. Der Ärger ist plötzlich sehr groß, wenn wir begreifen, dass der andere zu wenig von uns weiß, obwohl er uns doch kennt und liebt. Vorsicht: Wir glauben nur, dass wir einander kennen. Aber wir wissen zu keiner Zeit alles von unserem Gegenüber. Es ist gefährlich, zu glauben, wir wüssten alles, denn das lässt uns die Neugierde vergessen. Wir bleiben nicht mehr interessiert aneinander.
Die Einstellung „Ich weiß schon“ lässt uns im Dunkeln tappen, wir deuten und interpretieren, aber wir wissen nicht. Und wir verlieren das Interesse an unserem Gegenüber. Umgekehrt wünschen wir uns jedoch jenes Interesse, das wir selbst scheinbar nicht aufbringen können – darüber werden wir ärgerlich.
Wut aber ist keine Alternative für mangelndes Interesse. Deshalb dürfen wir wieder etwas wegkommen vom Hellsehen und stillem „Ich weiß schon …“, und sollten wieder an dem anknüpfen, was auch Verliebte tun: Interessiert nachfragen anstatt eine Beziehungskrise anzuzetteln.
7. Beziehungskrise: Frust färbt ab
Wenn wir selbst gut gelaunt sind und uns gut fühlen, sehen wir alles etwas farbiger und nehmen Herausforderungen leichter an. Selbst unser Partner oder unsere Partnerin empfinden wir dann als wertvoller und sehen unsere Beziehung etwas rosiger.
Ähnlich ist es auch mit Frust und Ärger. Wer von der Arbeit schlecht gelaunt heimkommt, wird dort ähnliche Probleme wahrnehmen, wie er sie bei der Arbeit empfunden hat. Wir suchen ja noch immer die Lösung zu diesem Problem. Jedoch den Frust am Partner bzw. an der Partnerin auszulassen, kann eine Beziehungskrise auslösen.
Denn der Partner bzw. die Partnerin ist auch nur ein Mensch und reagiert auf diese Stimmung, die wir mitbringen. Frust färbt ab und nicht selten reagieren die Menschen, die uns nahe stehen, mit dem, was wir selbst aussenden. Sind wir genervt, ist es naheliegend, dass unsere Mitmenschen ähnlich genervt sein werden. Sind wir mit uns und der Welt zufrieden, werden wir auch Zufriedenheit ausstrahlen und zurückbekommen. Was nicht heißen soll, dass wir uns nicht auch einmal ärgern dürfen, sondern lediglich, dass selten „alles“ „nur“ am anderen liegt – denn wir gestalten zu jeder Zeit unsere Beziehung mit.
Herzlichst, Ihre Ulrike Fuchs
Paarberaterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie
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