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Achtsamkeit: So stärkt das Leben im Hier und Jetzt die Partnerschaft

In jeder Partnerschaft gibt es Höhen und Tiefen, das ist normal und auch gesund. So wachsen und reifen wir in unserer Persönlichkeit und auch als Paar. In Zeiten, wo man sich streitet, sich nicht versteht oder manchmal selbst nicht so genau weiß, was man sich eigentlich wünscht, wäre es manchmal wunderbar, wenn man zaubern könnte – und alles wäre wieder in Ordnung. Die gute Nachricht zuerst: Sie müssen nicht erst zaubern lernen. Häufig können wir mit etwas mehr Achtsamkeit in der Partnerschaft – für uns und unsere Bedürfnisse sowie für den Partner – die Beziehung verbessern und damit auch stärken. Das klingt zu schön, um wahr zu sein? Lesen Sie selbst.

Was bedeutet Achtsamkeit in der Partnerschaft?

Unter Achtsamkeit versteht man eine offene und neugierige Haltung gegenüber allem, was gerade ist. Sie richtet die gesamte Wahrnehmung, alle Gedanken und Empfindungen auf den gegenwärtigen Moment. Wenn wir achtsam sind, ist unsere volle Aufmerksamkeit und Wertschätzung im Hier und Jetzt.

Das Gegenteil von Achtsamkeit ist, wenn unsere Gedanken sich zerstreuen und irgendwo sind, nur nicht hier. Unsere Wahrnehmung richtet sich nicht auf die Gegenwart, sondern in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Sind wir unachtsam, handeln wir womöglich, wenn auch unabsichtlich, rücksichtslos und ohne Einfühlungsvermögen.

Sie ahnen vielleicht, worauf ich hinaus möchte: Jede Partnerschaft braucht ein gewisses Maß an Achtsamkeit. Ein achtsamer Umgang mit dem Partner bedeutet, dass ich mich auf ihn einlassen kann und meine Gedanken und Gefühle ganz bei ihm sind. Ich gehe sorgfältig mit seinen Gedanken, Gefühlen und seinen Verhaltensweisen um.

Bei Achtsamkeit geht es weniger um die großen Dinge des Lebens, zum Beispiel dass man natürlich füreinander da ist, wenn uns schwere Schicksalsschläge widerfahren, sondern um die feinen Nuancen im ganz gewöhnlichen Alltag.

„Wenn unsere Achtsamkeit diejenigen einschließt, die wir lieben, blühen sie wie Blumen auf.“

Thich Nhat Hanh

„Sehr geehrte Höflichkeit, hiermit möchte ich Ihnen mitteilen …“

Das klingt für Sie steif und altmodisch? Doch die ganz normale Höflichkeit, die wir jedem Fremden entgegenbringen, hat auch unser Partner verdient. Sie ist eine Form der Wertschätzung und des gegenseitigen Respekts: Man begrüßt sich, wenn man nach Hause kommt, sagt zum anderen liebevoll „Guten Morgen“ nach dem Aufwachen und zärtlich „Gute Nacht“ vor dem Einschlafen, zeigt Manieren bei Tisch oder lässt dem anderen auch mal den Vortritt.

Fremden Menschen gegenüber ist es für uns selbstverständlich, bestimmte Höflichkeitsformen einzuhalten. Auch Verliebte wissen instinktiv, dass sie sich etwas bemühen müssen, um beim Gegenüber anzukommen. Doch im Alltag mit dem Partner  – gerade in Langzeitbeziehungen – können diese Manieren schnell verkommen. Natürlich sollten diese Umgangsformen nicht nur zu bloßen Floskeln verkommen, denn diese würden in der Tat nicht zu einem Paar passen, das viele Jahre liiert ist. Trotzdem sind der Austausch von Nettigkeiten und eine gewisse Höflichkeit wichtig, gerade auch in einer Langzeitbeziehung: Sie drücken damit aus, dass Ihr Gegenüber nicht nur ein Möbelstück ist, das man mal woanders hinrückt, wenn es im Weg steht. Sie zeigen mit der gegenseitigen Höflichkeit: „Jeder von uns ist eine eigenständige Person, der ich mit Achtung und Wertschätzung begegne.“

Achtsamkeit in der Partnerschaft im Umgang mit Intimität

Das gilt auch für die gemeinsame Intimität und Sexualität. Gerade bei Langzeitpaaren nehmen die innigen Küsse, zärtlichen Berührungen, tiefen Blicke und die herzlichen Umarmungen im Laufe der Zeit immer mehr ab. Die Küsse werden flüchtiger, die wenigen zärtlichen Berührungen signalisieren irgendwann nur noch: „Jetzt muss es zu Sex kommen.“ Oft ist das Liebesleben völlig eingeschlafen und man berührt sich gar nicht mehr – und dass man sich einander tief in die Augen gesehen hat, daran kann man sich kaum noch erinnern.

Ein intimer Umgang macht ein Paar aber zu einem Liebespaar. Wenn Zärtlichkeiten und Sexualität zwischen einem Paar erloschen sind, hat das laut dem Psychologen Hans Jellouschek einen wichtigen Grund: „Vor allem Frauen verlieren die Lust auf Sex, wenn diese Ausdrucksformen der Zärtlichkeiten nicht mehr existieren, und Männer, die dann trotzdem noch – ab und zu – mit der Tür ins Haus fallen wollen, weil sie das Bedürfnis nach Sexualität spüren, werden abgewiesen und ziehen sich zurück. Achtsamkeit in einer Beziehung besteht also wesentlich auch darin, die zärtlich-körperlichen Ausdrucksformen der Liebe, das Küssen, Umarmen, die Blicke und Berührungen nicht versiegen zu lassen und wieder zu beleben.“

Wir gewöhnen wir uns schnell daran, die kleinen Aufmerksamkeiten im Alltag wegzulassen, weil das ständige Werben auch etwas Mühe und Anstrengung kostet. Wenn wir aufhören, die liebevollen Verhaltensweisen von Verliebten zu zeigen – sich in die Augen sehen, uns zu küssen und Händchen zu halten, distanzieren wir uns als Liebespaar sehr schnell. Ist die Distanz erst einmal entstanden, ist es leicht zu sagen: „Wir haben uns halt auseinandergelebt.“ Fairerweise muss man aber sagen, dass dieser Prozess nicht einfach passiv und ohne unser Zutun seinen Lauf nahm, sondern durch unsere eigene Bequemlichkeit in Gang kam. Diese Distanz zum Partner zu überwinden und wieder Nähe herzustellen, ist häufig mit Scham und Schuldgefühlen verbunden.

Deshalb ist es wichtig, dass ein Paar die Zärtlichkeiten, die es als junges Liebespaar miteinander genossen hat, weiterhin achtsam und bewusst pflegt.

„Achtsamkeit ist ein aufmerksames Beobachten, ein Gewahrsein, das völlig frei von Motiven oder Wünschen ist, ein Beobachten ohne jegliche Interpretation oder Verzerrung.“

Jiddu Krishnamurti

Achtsamkeit in der Partnerschaft: „Was sage ich dir? Wann? Und wie?“

In der Vergangenheit fragten mich Klienten oft, wenn sie allein in der Therapie bei mir in der Praxis kamen: „Kann ich denn meinem Partner davon erzählen, worüber wir hier sprechen?“ Dann antwortete ich: „Ja, natürlich!“ Denn ich bin ein großer Freund von Ehrlichkeit und Offenheit, auch in einer Partnerschaft, und das bin ich noch immer, heute ergänze ich diesen Satz lediglich mit: „Ja, natürlich, sobald es klar in Ihnen ist!“

Warum ist dieser Zusatz „Sobald es Ihnen klar ist“ so wichtig?

Viele Menschen überschütten ihren Partner mit den Dingen, die sie den ganzen Tag erleben. Das Ergebnis: Sie sind den Müll los und empfinden im ersten Moment eine Art Erleichterung. Der Partner aber fühlt sich von der ganzen Fülle an Inhalten erschlagen. Egal, ob der Partner als Anti-Stress-Ball oder als Klagemauer dient – die Funktion des Entsorgungsunternehmens für seelischen Ballast wird ihm als Partner nicht gerecht, und damit auch nicht uns. Als Paartherapeutin habe ich immer auch die Partnerschaft im Kopf und ich stelle diese wichtige Frage: „Tut dieses Verhalten der Beziehung gut?“

Wenn Ihre Antwort auf diese Frage „Nein“ lautet, brauchen Sie einen Moment, damit es in Ihnen klar werden darf. Was meine ich damit? Wenn Sie genau darüber nachdenken, was Sie Ihrem Partner mit einer bestimmten Information mitteilen möchten, werden Sie es besser verstehen.

Wir benötigen vor allem Achtsamkeit mit uns selbst, bevor wir mit unserem Partner sprechen:

  • Was bewegt bzw. beschäftigt mich?
  • Was ist mir in der Beziehung zu meinem Partner wichtig?
  • Welche Gefühle habe ich? Wie verhalte ich mich, wenn ich so fühle wie ich fühle? Und wohin gehören diese Gefühle?
    Habe ich beispielsweise bei der Arbeit mit einem Kollegen eben eine Auseinandersetzung gehabt und fühle mich ungerecht behandelt, bin ich möglicherweise verärgert und enttäuscht. Es wäre fatal, diesen Ärger und diese Enttäuschung am Partner auszulassen, der ja nun mit der vorangegangenen Situation gar nichts zu tun hat.
  • Welches meiner Gefühle gehören wirklich zu meinem Partner? Im Hier und Jetzt?
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Achtsamkeit bedeutet auch, Empathie für den Partner zu entwickeln

Empathie ist die Fähigkeit, uns in die Lage unseres Gegenübers hineinversetzen und einfühlen zu können und unser Gegenüber wirklich zu verstehen. Warum ist die Fähigkeit, einerseits achtsam mit sich selbst und zugleich achtsam mit dem Partner zu sein, so wichtig in einer Beziehung?

Frauen haben oft das Problem, dass sie sich zu sehr in den anderen hineinversetzen können und sich dabei selbst verlieren. Männer erleben häufig die Herausforderung, zu sehr bei sich zu bleiben und den Perspektivenwechsel nicht zu wagen.

Bleiben wir aber zu wenig bei uns selbst, fehlt uns die Achtsamkeit, um klar zu werden und zu bleiben. Wir wirken unsortiert und überschütten häufig unseren Partner. Sind wir zu wenig empathisch mit unserem Partner, fehlen uns manchmal der Perspektivenwechsel und eine andere Sicht, um das große Ganze zu erkennen. In einer achtsamen Partnerschaft braucht es beide Seiten, damit wir unsere eigene Sicht und die des Partners zugleich nachempfinden können.

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„Ich kann auch deine Stärken erkennen und schätzen!“

„Nicht geschimpft ist gelobt genug“, heißt es häufig. Frei nach dem Motto: „Ich habe doch schon zur Hochzeit gesagt, dass ich meinen Mann/meine Frau liebe. Das muss doch reichen.“ Das ist für eine lange Partnerschaft zu wenig.

Der Alltag verschluckt gerade die Komplimente, die wir alle gern hören. Hat sich die Gewohnheit erst eingeschlichen, kommen uns diese lieben Worte viel zu selten über die Lippen. Das betrübliche Ergebnis sieht dann so aus: Viele äußern nur noch die Kritik am Partner, dieser geizt im Gegenzug mit Komplimenten. Es entsteht eine Abwärtsspirale, denn Kritik löst häufig aus, dass der Kritisierte sich verteidigen und rechtfertigen möchte. Wenn wir uns jedoch rechtfertigen, sind wir nicht mehr offen für unseren Partner. Das wiederum ärgert den Partner, der die Kritik geäußert hat, weil er sich im Grunde vielleicht Mitgefühl und Verständnis vom Partner erhoffte. Doch dieser hat scheinbar nichts Besseres zu tun, als sich selbst zu erklären. Sie merken: Das ist ein Teufelskreis, der beiden nicht guttut. Beide laufen ins Leere und fühlen sich mies.

Der US-amerikanische Psychologe John Gottman beschreibt in seinem Buch „Die sieben Geheimnisse der glücklichen Ehe“ vier Faktoren, die seiner Meinung nach Gift für jede Beziehung sind und diese früher oder später zerstören:

  1. Kritik und damit häufig verbundene Schuldzuweisungen,
  2. Verachtung, die sich häufig durch Sarkasmus bzw. Zynismus äußert,
  3. Rechtfertigung als Reaktion auf Kritik und
  4. Mauern, das heißt, sich von Partner absichtlich zurückzuziehen ohne Aussicht auf ein späteres, klärendes Gespräch.

Die Achtsamkeit hilft einem Paar dabei, sich über diese Verhaltensweisen überhaupt einmal bewusst zu werden und im nächsten Schritt dem Partner gegenüber wieder mehr Anerkennung und Wertschätzung zu äußern. Das heißt nicht, dass Sie Probleme ab sofort unter den Teppich kehren sollen, sondern vielmehr, dass Sie das, was Sie an Ihrem Partner lieben und schätzen, einmal mehr zeigen und äußern, als Sie es bisher vielleicht getan haben.

Fazit

Achtsamkeit in einer Partnerschaft drückt das gegenseitige Interesse eines Paares füreinander aus und ist eine Form der Wertschätzung und Achtung beider Partner. Jeder möchte gern gesehen, geachtet und geschätzt werden. Eine gute Beziehung braucht genau diesen achtsamen Umgang dem Partner gegenüber. Achtsamkeit in der Partnerschaft hilft uns dabei, uns angenommen, geborgen und geliebt zu fühlen. Es hilft uns auch, die stressigen Zeiten, die es in einer Partnerschaft auch mal geben kann, leichter zu nehmen und zu überwinden. Es kehrt Ruhe und Entspannung in eine Beziehung, wenn sich beide wieder achtsamer begegnen.

Falls Sie nun glauben, Sie seien Ihrem Partner bereits schon sehr achtsam gegenüber, lade ich Sie ein, neugierig für die Bereiche bleiben, in denen Sie noch ein bisschen mehr Achtsamkeit in Ihre Beziehung bringen können. Denn: Es tut jeder Beziehung gut, ein bisschen achtsamer zu werden – vor allem im ganz normalen Alltag.

Herzlichst, Ihre Ulrike Fuchs
Paarberaterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie

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Foto: Christian Kasper Fotograf München
Lektorat: Corinna Luerweg Hamburg
Grafik: Ulrike Fuchs München